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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.09.2000
Aktenzeichen: 12 UZ 2783/00
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 6
AuslG § 12 Abs. 2
AuslG § 17 Abs. 1
AuslG § 19 Abs. 1
AuslG § 23 Abs. 1
Die Neufassung des § 19 Abs. 1 AuslG zum 1. Juni 2000 ist nicht auf Fälle anwendbar, in denen die eheliche Lebensgemeinschaft vor diesem Zeitpunkt aufgehoben war.
Gründe:

I.

Der am ... 1966 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein nach seiner Einreise im November 1989 gestellter Asylantrag blieb erfolglos. Nach seiner Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen am 27. Februar 1995 erhielt er am 12. Mai 1995 erstmals eine Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit zweimal verlängert wurde, und zwar zuletzt bis zum 24. September 1999. Nachdem sich der Kläger im April 1998 von seiner Ehefrau und dem am ... 1996 geborenen gemeinsamen Kind ... getrennt hatte und aus der gemeinsamen Ehewohnung in ... ausgezogen und nach ... verzogen war, befristete die dortige Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 10. September 1998 nachträglich auf den Tag der Zustellung dieses Bescheids und drohte dem Kläger für den Fall der Nichtausreise bis spätestens 31. September 1998 die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat an. Der hiergegen rechtzeitig eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 8. September 1999 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Kläger die Abschiebung in die Türkei für den Fall angedroht wurde, dass er Deutschland nicht innerhalb eines Monats nach Bestandskraft des ausländerbehördlichen Bescheids verlassen habe.

Hiergegen hat der Kläger am 11. Oktober 1999 Klage erhoben, diese aber trotz mehrmaliger gerichtlicher Aufforderung nicht begründet, sondern lediglich mitgeteilt, er habe bei der Ausländerbehörde der Stadt ..., wo er sich jetzt aufhalte, nach Ablauf der letzten Aufenthaltserlaubnis deren Verlängerung beantragt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 10. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. September 1999 mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2000 abgewiesen, weil diese Bescheide rechtmäßig seien und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzten. Insbesondere erweise sich die nachträgliche Befristung der dem Kläger zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis ebenso als rechtmäßig wie die Abschiebungsandrohung.

Mit dem am 7. August 2000 (einem Montag) gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den am 6. Juli 2000 zugestellten Gerichtsbescheid macht der Kläger ernstliche Zweifel an dessen Richtigkeit geltend und trägt vor, er habe mit seiner Ehefrau zwei gemeinsame Kinder; denn seine Ehefrau habe nach der Trennung am ... 1998 den weiteren Sohn ... geboren. Er habe nach wie vor Kontakt zu seiner Ehefrau, auch wenn ein erneutes Zusammenleben derzeit nicht beabsichtigt sei, allerdings auch nicht ausgeschlossen erscheine. Er erhalte durch Telefon und regelmäßige Besuche in Abständen von drei bis vier Wochen die Beziehung zu seinen beiden Kindern aufrecht. Die Behinderung an der gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts stelle für ihn eine außergewöhnliche Härte dar. Er habe das im Juli 1996 begonnene Arbeitsverhältnis in einer Bäckerei zum 30. Juni 1998 wegen untertariflicher Bezahlung und nicht mehr hinnehmbarer Ausnutzung durch seinen Arbeitgeber aufgehoben, aber erst vom 25. August 1999 an eine Arbeitsstelle gefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig (§ 124a Abs. 1 VwGO), aber nicht begründet; denn mit ihm ist ein Grund, der gemäß § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Berufung rechtfertigen kann, nicht dargetan.

Entgegen der Ansicht des Klägers begegnet die Richtigkeit des angegriffenen Gerichtsbescheids keinen ernstlichen Zweifeln.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann anzunehmen, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Hess. VGH, 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97 -, EZAR 625 Nr. 1 = NVwZ 1998, 195 = HessJMBl. 1997, 768; VGH Baden-Württemberg, 27.02.1998 - 7 S 216/98 -, VBlBW 1998, 378; OVG Berlin, 09.03.1999 - 4 SN 158.98 -). Die zur Auslegung des Begriffs der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG entwickelten Grundsätze können zur Auslegung von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit der Maßgabe herangezogen werden, dass die Entscheidung über die Zulassung der Berufung weniger eilbedürftig ist als die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO sowie in abgabe- und asylrechtlichen Eilverfahren (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Das Rechtsmittelgericht muss bei der Prüfung anhand der mit dem Zulassungsantrag vorgetragenen Beanstandungen zu der Meinung gelangen, dass das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg oder - anders formuliert - das erstinstanzliche Gericht unrichtig entschieden hat (vgl. Sendler, DVBl. 1982, 157). Mit dieser Auslegung wird dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziel entsprochen, mit Hilfe des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an die gefestigte Rechtsprechung zu dem Begriff der ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung (vgl. dazu Schenke, JZ 1996, 1155 m. Nachw. d. Rspr. u. der davon abw. Lit. in Fußn. 729, 730; zu Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vgl. BVerfG, 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 = EZAR 632 Nr. 25) anzuknüpfen, die Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen (vgl. dazu Sendler, a.a.O.) und grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren (vgl. dazu BT-Drs. 13/3993 S. 13). Die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist aber damit nicht auf solche Fälle beschränkt, die dem Rechtsmittelgericht grob ungerecht gelöst erscheinen (ähnlich Hess. VGH, 17.02.1997 - 14 TZ 385/97 -); denn die für den Gesetzgeber ersichtlich maßgebliche Rechtsprechung zu § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO setzt eine derartige qualifizierte materielle Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht voraus. Die ernstlichen Zweifel müssen an der Richtigkeit des Ergebnisses der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen; ob sich die Entscheidung trotz formeller oder materieller Fehler letztlich doch als richtig erweist, ist im Zulassungsverfahren von Amts wegen anhand der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu prüfen (Hess. VGH, 26.03.1998 - 6 TZ 4017/97 -, NVwZ-RR 1998, 777 = DVBl. 1998, 1033 = ESVGH 48, 223 = InfAuslR 1998, 438 m.w.N.; Hess. VGH, 15.07.1997 - 13 TZ 1947/97 -, AuAS 1998, 6 = HessJMBl. 1997, 818; VGH Baden-Württemberg, 18.12.1997 - A 14 S 3451/97 -, NVwZ 1998, 414 = VBlBW 1998, 261; a. A. VGH Baden-Württemberg, 22.10.1997 - NC 9 S 20/97 -, NVwZ 1998, 197). Veränderte oder in erster Instanz nicht vorgetragene Tatsachen oder zwischenzeitliche Rechtsänderungen können grundsätzlich nicht zur Begründung ernstlicher Zweifel herangezogen werden (VGH Baden-Württemberg, 29.09.1999 - 7 S 1871/99 -, VBlBW 2000, 109; Hess. VGH, 01.03.2000 - 6 TZ 214/00; OVG Nordrhein-Westfalen, 05.11.1999 - 15 A 2923/99 -, NVwZ 2000, 334 = NWVBl. 2000, 140; anders bei Rechtsänderung vor Ablauf der Zulassungsantragsfrist: Hess. VGH, 10.11.1999 - 5 UZ 2876/99 -, NVwZ 2000, 85).

Die Ausländerbehörde hat die zuletzt bis 24. September 1999 befristete Aufenthaltserlaubnis zu Recht nachträglich befristet, da der Kläger seit April 1998 dauernd von seiner deutschen Ehefrau getrennt lebt und damit seinen Anspruch auf Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis nach §§ 17, 23 Abs. 1 AuslG verloren hat. Das der Ausländerbehörde für die nachträgliche Befristung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG eingeräumte Ermessen ist fehlerfrei ausgeübt, zumal die zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis nicht rückwirkend auf den Trennungszeitpunkt erfolgte, sondern auf den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids am 17. September 1998. Selbst wenn die Eheleute eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht ausschließen sollten, wie der Kläger in seinem Zulassungsantrag erwähnt, folgt daraus für den Kläger kein ehebezogenes Aufenthaltsrecht.

Zutreffend hat die Ausländerbehörde angenommen, dass dem Kläger ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 AuslG nicht zusteht, weil die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner deutschen Ehefrau im Zeitpunkt ihrer Aufhebung im April 1998 nicht seit mindestens vier Jahren rechtmäßig in Deutschland bestanden hat und es auch nicht zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich war, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Da der Kläger die Ehe mit seiner deutschen Ehefrau am 27. Februar 1995 geschlossen und die damals begonnene eheliche Lebensgemeinschaft im April 1998 beendet hat, bestand diese etwa drei Jahre und zwei Monate und damit weniger als vier Jahre. Zwar genügt nach der Neufassung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG auf Grund des Gesetzes vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 742) eine Mindestehebestandszeit von zwei Jahren, diese Neufassung kann jedoch auf den Kläger nicht angewandt werden, weil sie erst am 1. Juni 2000 in Kraft getreten ist und mangels Rückwirkung nicht für Fälle gilt, in denen die eheliche Lebensgemeinschaft vor diesem Zeitpunkt aufgehoben war (Hess. VGH, 03.08.2000 - 12 TZ 2454/00 - m.w.N.; Renner, Ausländerrecht, Nachtrag zur 7. Aufl., 2000, § 19 AuslG, Rdnr. 43, 45; so wohl auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 23. Lfg., Juli 2000, § 19 AuslG Rdnr. 3, 7). Aus dem selben Grund kommt es für das Entstehen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts des Klägers auch darauf an, ob bei ihm eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AuslG in der im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft geltenden Fassung und nicht eine besondere Härte im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AuslG in der seit 1. Juni 2000 geltenden Fassung festzustellen ist.

Sowohl nach der Systematik als auch nach dem Zweck der Vorschrift des § 19 AuslG knüpft die darin vorgesehene Verlängerung der zuvor zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilten Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht an den Zeitpunkt an, zu dem die Grundlage für das zweckgebundene und akzessorische Aufenthaltsrecht nach §§ 17 Abs. 1, 23 Abs. 1 AuslG, nämlich die eheliche Lebensgemeinschaft, wegfällt (Renner, a.a.O., § 17 AuslG Rdnr. 42). Da die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter den in § 19 Abs. 1 Satz 1 AuslG bezeichneten Voraussetzungen als eigenständiges und von der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängiges Aufenthaltsrecht verlängert wird, verändern sich die Grundlagen und der Aufenthaltszweck der Aufenthaltserlaubnis unmittelbar mit Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Für die Zeit danach fehlt es mangels ehelicher Lebensgemeinschaft an der Rechtsgrundlage für ein ehebezogenes Aufenthaltsrecht, das unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG steht. Demzufolge kann eine noch laufende Aufenthaltserlaubnis von der Ausländerbehörde nachträglich auf den Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zeitlich beschränkt werden. Macht die Ausländerbehörde von dem ihr für diesen Fall nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG eingeräumten Ermessen - etwa im Hinblick auf die nur noch kurze Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis - keinen Gebrauch, so ändert dies ungeachtet der formellen Fortgeltung der Aufenthaltserlaubnis nichts daran, dass der Aufenthalt des getrennt lebenden Ehegatten fortan materiell allein auf § 19 Abs. 1 AuslG beruht (zu den Unterschieden zwischen Ersterteilung, Neuerteilung und Verlängerung vgl. Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, Rdnr. 5/331 ff.). Der Wortlaut von § 19 Abs. 1 AuslG unterscheidet sich zwar von dem des § 21 Abs. 3 AuslG, wonach die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis zu einem eigenständigen, von dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Aufenthaltszweck unabhängigen Aufenthaltszweck wird, wenn sie unbefristet oder entsprechend § 16 AuslG verlängert oder wenn das Kind volljährig wird; diese unterschiedlichen Formulierungen ändern aber nichts daran, dass sich auch im Falle des § 19 Abs. 1 AuslG ebenso wie beim Erreichen des Volljährigkeitsalters nach § 21 Abs. 3 AuslG Rechtsgrundlage und Aufenthaltszweck kraft Gesetzes ändern (a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, 01.02.2000 - 18 B 1120/99 -, EZAR 023 Nr. 7). Infolge dessen wird die ursprüngliche ehebezogene Aufenthaltserlaubnis mit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft "verselbstständigt" (GK-Ausländerrecht, § 19 AuslG, Rdnr. 7, 34) oder in ein selbstständiges Aufenthaltsrecht "umgewandelt" (Hailbronner, a.a.O., § 19 AuslG Rdnr. 4). Die Formulierungen "... im Falle der Aufhebung ...", "...verlängert ...", " ... seit mindestens vier Jahren ..." und "... bis zum Eintritt der in den Nr. 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen ..." sprechen jedenfalls eindeutig dafür, dass es für die Voraussetzungen des eigenständigen Aufenthaltsrechts des Ehegatten maßgeblich und allein auf den Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ankommt und hierfür weder auf den Zeitpunkt des Auslaufens der zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis noch auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen ist. Der Gesetzgeber hat im Übrigen nur für den Fall der unbefristeten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines Ehegatten die Auflösung der Akzessorietät und die Verselbständigung des Aufenthaltsrechts unabhängig vom Fortbestand und einer späteren Aufhebung der Ehe vorgesehen (vgl. § 19 Abs. 4 AuslG). Eine andere als die nach dem Gesetzeswortlaut gebotene Auslegung führte zu sachwidrigen und willkürlichen Ergebnissen. Insbesondere wäre es sachlich nicht zu vertreten, den Fortfall der gesetzlichen Grundlage für das ehebezogene Aufenthaltsrecht von der mehr oder weniger zufälligen restlichen Geltungsdauer der letzten Aufenthaltserlaubnis abhängig zu machen.

Schließlich kann weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte der Novelle vom Mai 2000 (dazu BT-Drs. 14/2368, 14/2902; Berichte in ZAR 2000, 50 u. 102) ein Anhalt dafür entnommen werden, dass die zum 1. Juni 2000 eingeführten Erleichterungen auch Ehegatten zugute kommen sollen, deren Ehe schon früher aufgehoben und über deren Aufenthaltsrecht unter Umständen schon seit langem bestandskräftig entschieden worden ist. Der Gesetzgeber hat weder eine dahingehende Überleitung laufender oder abgeschlossener Verfahren vorgesehen noch angenommen, alle früher abgeschlossenen Fälle könnten nunmehr wieder aufgegriffen werden (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Eine dahingehende Auslegung wurde auch anlässlich der zum 1. November 1997 (BGBl. I S. 2584) erfolgten Änderungen nicht vertreten.

Der Kläger kann sich auch nicht deswegen auf die Neufassung des § 19 Abs. 1 AuslG und insbesondere auf die Verkürzung der Mindestehebestandsdauer von zwei Jahren berufen, weil sein Anfechtungsverfahren gegenüber der nachträglichen Befristung bei In-Kraft-Treten der Neufassung am 1. Juni 2000 anhängig war und die Befristung sich als rechtswidrig erweisen würde, wenn er nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erworben hätte. Auf welchen Zeitpunkt bei Feststellung und Bewertung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist, ist dem jeweiligen materiellen Recht zu entnehmen; ein prozessualer Grundsatz, wonach es demgegenüber ungeachtet der materiellen Rechtsgrundlage zumindest für ein Verpflichtungsbegehren auf den Zeitpunkt der Entscheidung über einen Widerspruch oder eine Klage ankommt, bestehen nicht (vgl. dazu z.B. Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl., 1997, § 108 Rdnr. 16 ff. m.w.N.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 148 f. m.w.N.).

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 AuslG im Falle des Klägers zu Recht nicht als erfüllt angesehen, weil die eheliche Lebensgemeinschaft bei ihrer Aufhebung im April 1998 nicht mindestens vier Jahre bestanden hatte und auch eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG in der damals geltenden Fassung nicht festzustellen war. Eine außergewöhnliche Härte in diesem Sinne ist nur anzunehmen, wenn dem Ehegatten wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach Art und Schwere so erhebliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der bestehenden Rückkehrverpflichtung drohen, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als nicht vertretbar erscheinen würde, und hierbei ist die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Der Kläger hat nichts dafür vorgetragen, dass die Trennung von seiner deutschen Ehefrau für seine Person derartige Schwierigkeiten verursacht hat. Soweit er sich auf die Beziehung zu zwei gemeinsamen Kindern beruft, kann zunächst dahinstehen, ob er sich auf das zweite Kind berufen kann, obwohl er dessen Existenz erst im Berufungszulassungsverfahren vorgetragen hat und insoweit weder eine Geburtsurkunde noch eine sonstige Bestätigung vorliegt.

Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, vermittelt die Berechtigung zur Ausübung der Personensorge allein noch kein Aufenthaltsrecht, sondern nur deren tatsächliche Ausübung und Wahrnehmung. Eine Aufenthaltserlaubnis ist nämlich nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 AuslG und des Art. 6 Absatz 1 und 2 GG dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen nur zum Zwecke der Ausübung der Personensorge, also zur Wahrnehmung der ihm verfassungsrechtlich obliegenden Elternverantwortung zu erteilen (§ 23 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 AuslG). Da der Kläger, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend angemerkt hat, zur tatsächlichen Wahrnehmung der Personensorge im Verwaltungsverfahren und in der ersten gerichtlichen Instanz nichts vorgetragen und überhaupt seine Klage trotz mehrfacher gerichtlicher Aufforderungen nicht begründet hat, kann der erstmalige Vortrag im Zulassungsverfahren über telefonische Kontakte und regelmäßige Besuche bei beiden Kindern nicht berücksichtigt werden; denn dieser Tatsachenvortrag war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und kann daher nicht zur Überprüfung, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnet, herangezogen werden. Im Übrigen ist das dahingehende Vorbringen des Klägers wenig substantiiert. Insbesondere ist angesichts des Alters der Kinder nicht ohne weiteres verständlich, in welcher Weise der Kläger mit ihnen telefonische Beziehungen aufrecht erhält, und außerdem ist nicht durch Angabe von Terminen, Orten und sonstigen Umständen substantiiert, dass der Kläger tatsächlich in der Vergangenheit regelmäßig seine Kinder besucht hat und es sich bei seinem Vorbringen nicht lediglich um die Wiedergabe einer bloßen Absicht handelt.

Schließlich ist mit dem Zulassungsvorbringen auch nicht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts darüber, dass der Kläger in dem maßgeblichen Zeitpunkt keine ordnungsgemäße Beschäftigung ausgeübt hat und ihm dadurch keine aufenthaltsrechtliche Position aus Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB 1/80) erwachsen ist, in Zweifel gezogen. Da die Beschäftigung des Klägers bei der Bäckerei S. und S. in Wiesbaden im Mai 1998 endete, hatte der Kläger zwar bis dahin gemäß Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 einen Anspruch auf eine weitere Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für eine Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber erworben, konnte hieraus aber keinen Nutzen ziehen, da er über keinen Arbeitsplatz bei diesem Arbeitgeber mehr verfügte. Angesichts der Art und der Umstände der Aufhebung dieses Arbeitsverhältnisses scheidet eine Anwendung der Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 über Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit zu Gunsten des Klägers aus. Aus der späteren Beschäftigung bei der Firma K.`s Backstube GmbH vom 25. August 1999 an kann der Kläger deshalb keine Rechte herleiten, weil er zu dieser Zeit über keine Aufenthaltserlaubnis mehr verfügte. Der Hinweis des Klägers auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 1998 - 1 C 14.97 - (EZAR 029 Nr. 10 = NVwZ 1999, 306) geht fehl; denn der dortige türkische Arbeitnehmer verfügte über einen Anspruch auf rückwirkende Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, während es für den Kläger hieran fehlt.

Die Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert des Antragsverfahrens beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 GKG analog.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124a Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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